Interview in der Kölner „Stadtrevue“: Beate Waltrup im Gespräch mit Jan Lüke über die Gewaltfreie Kommunikation

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Foto: Pixabay; © Titelseite: Stadtrevue; Montage: Team Brandenburg

Jan Lüke, Politik-Redakteur bei der Kölner „Stadtrevue“, spricht mit Beate Waltrup über die Leitidee der GFK, über Probleme von Kommunikation im Job und was es braucht, um sie zu lösen. „Kommunikation ist“, schreibt Lüke, „in nahezu allen Berufen eine Voraussetzung für erfolgreiches, aber auch zufriedenes Arbeiten. Wenn sie allerdings misslingt, ist sie Ursache von Stress und Belastung am Arbeitsplatz.“

Stadtrevue: Frau Waltrup, der Begriff ‚Gewaltfreie Kommunikation‘ kann irritieren, weil er unterstellt, dass Gewalt in Kommunikation verbreitet ist. Wo findet die statt?

Beate Waltrup: Gewalt ist für viele, wenn man brüllt oder handgreiflich wird. Sie fängt aber schon viel früher an. Wir alle sind sehr stark in der Bewertung von anderen: Recht haben, und wissen, wer schuld ist. Urteilen und Bewerten – das ist bereits Gewalt.

Stadtrevue: Gewalt in Kommunikation kann also anfangen, bevor man miteinander interagiert?

Waltrup: Genau. Aber natürlich auch in der direkten Kommunikation. Wenn die Führungskraft sagt ‚Das war nicht professionell‘ – dann ist das ein Urteil. Das ist ein Mauerstein, der Kommunikation erschwert und der verhindert, dass man eine Verbindung zum anderen aufbauen kann.

Stadtrevue: Diese Verbindung herzustellen, darum geht es bei GFK?

Waltrup: Oft kommen Leute mit einem konkreten Thema zu mir – Probleme mit dem Chef, Streit mit Kollegen. Das kennt jeder. Sie möchten eine Methode lernen, mit der sie dem anderen klar machen können, dass sie im Recht sind. Darum geht es aber gar nicht. Der andere ist nicht das Problem. Es fängt früher an – nämlich bei mir.

Stadtrevue: Inwiefern?

Waltrup: Gewaltfreie Kommunikation beginnt bei einer selbstempathischen Vorklärung: Ich bin unzufrieden mit etwas, ärgere mich über jemanden. Wenn es jetzt schaffte, zu beobachten, ohne zu bewerten, komme ich zu dem Gefühl, das unter dem Ärger steckt. Das kann Traurigkeit sein oder Ohnmacht. Wenn ich mich mit diesen Gefühlen verbinde, kann ich mein Bedürfnisse klarer erkennen und mit ihnen gesehen werden, indem ich sie letztlich in sauberen Bitten ausdrücke.

Stadtrevue: Und das hat Auswirkungen auf meinen Gesprächspartner?

Waltrup: Den entlaste ich dadurch. Wenn ich klar sage, was ich möchte und nicht auf meiner Strategie insistiere, erlebe ich mehr Kooperationsbereitschaft. Das heißt aber nicht: Früher waren die anderen schuld, jetzt bin ich es. Es ist genauso wichtig, Mitgefühl und Akzeptanz für sich selbst zu entwickeln.

Stadtrevue: GFK ist also kein reines Kommunikationswerkzeug?

Waltrup: Nein, nicht ausschließlich. Es gibt verschiedene Ebenen. Die erste Ebene ist die der Technik. Ich bemerke etwa: Ich spreche viele Bewertungen aus. Die zweite Ebene ist die der Haltung. Ich bringe dem anderen, aber auch mir Wertschätzung entgegen. Unsere Bedürfnisse stehen gleichberechtigt nebeneinander. Die dritte Ebene ist die von persönlichen Mustern. Das ist unsere Programmierung – und auch unser empfindlicher Knopf.

Stadtrevue: Und im Berufsleben begegnen sich unterschiedliche persönliche Muster?

Waltrup: Wenn eine Führungskraft und ein Mitarbeiter aufeinandertreffen, haben die jeweils ihre Programmierung. Die Führungskraft agiert zum Beispiel sehr leistungsorientiert, der Mitarbeiter denkt, er wird nicht wertgeschätzt. Man trägt einen blinden Fleck mit sich, es fehlt Mitgefühl für sich selbst und die andere Position – und dann rattert‘s. Der Zauber der Gewaltfreien Kommunikation ist Selbstempathie. Menschen, die ihre Bedürfnisse wahrnehmen, sind in Konflikten auch in der Lage, die Bedürfnisse der anderen zu sehen.

Stadtrevue: In welchen Berufsfeldern ist die GFK in der beruflichen Weiterbildung sinnvoll?

Waltrup: Das kann man kaum einschränken. Es betrifft die unterschiedlichsten Bereiche – Wirtschaft, Verwaltungen, Gesundheitswesen, Sozial- oder Bildungswesen. Die Arbeitsbelastung ist fast überall gestiegen. Das löst Belastungsreaktionen hervor – hohe Krankenstände bis hin zum Burn-out. Langsam entwickelt sich ein Bewusstsein dafür, Probleme frühzeitig zu klären. Und ob Chefarzt, Lehrer oder Projektleiter in der Wirtschaft – die kommunikativen Barrieren im Job sind oft sehr ähnlich.

Das Interview ist in der April-Ausgabe 2017 der Stadtrevue erschienen.

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